Die Entstehung der Entfremdung vom Göttlichen und der Entfremdung vom Weiblichen

Die ältesten uns bekannten Religionen sind die Religionen der Göttin und die Naturreligionen. Sie entstanden nicht durch die Lehre eines einzelnen Propheten sondern durch die Beobachtung der Menschen. Sie beobachteten ihre Welt, ihre Umwelt, das Universum und die Natur. Sie stellten fest, dass das Leben auf der Erde in Zyklen verläuft. Eines der ältesten Weisheitsbücher, das Kybalion*, sagt es uns auch: „Alles Schwingt, alles ist in Bewegung.” In den ersten Tagen der Menschheit waren Frauen die großen Denkerinnen. Sie waren geheiligt, denn nur aus ihnen konnte neues Leben entstehen und das Fortbestehen der eigenen Spezies musste gesichert werden. Schamanisch begabte Menschen konnten hinter den Schleier blicken und sie wussten, dass alle Materie ein Ausdruck des Geistes ist, bewusst und lebendig. Uns so gaben sie allem einen Namen. Die Erde und das Universum, die alles Leben und Materie hervorbrachten waren die großen Mütter allen Lebens. Es konnte von jedem erfahren und täglich überall beobachtet werden. Göttinnen waren keine abstrakten Wesen, die man sich nicht vorzustellen hatte, sie sind überall sichtbar in ihrem Handeln, ihrem nährenden, gebärenden und auch vernichtenden Aspekten. Sie sind selbst die Welt, die Frauen und das Universum in ihrer Verkörperung. Heute ist die Menschheit von solchen Beobachtungen entfremdet. Sie wurden von den Religionen der Prophenten für sich vereinnahmt, verfremdet und so wieder gegeben. So können sich manche Vorstellungen über Jahrtausende halten, aber der Sinn ging verloren. So wurde aus der Mutter Erde ein abstrakter Vatergott, der irgendwo im Himmel schwebt und sein eigenes, uns fernes Reich hat. Das hängt damit zusammen, dass irgendwann auf der Erde die Männer die Macht an sich rissen. Dies geschah durch die körperliche Kraft und den Verfall der Moral durch die ersten Kriege. Das war der Moment, als die Menschheit ihre Unschuld verlor und lernte zu töten und zu vergewaltigen. Der Beginn des Patriarchats. Es war den nun herrschenden Männern unmöglich, Mutter Erde noch als Götttin anzuerkennen. Die Frau war schließlich ein schwaches Wesen, dass der Gewalt des Mannes hilflos ausgeliefert war. Diese Erfahrung hatten sie im Ausleben von Macht gemacht. Die Ethik, die Verschiedenheit liebt, schützt und wertschätzt, ging verloren. So wurde aus einem Muster: Das Elternteil als Gott, ein starker “überlegener” Vatergott gemacht. Der Zusammenhang mit den natürlichen Zyklen und Eigenschaften, dem Erschaffen von Leben, ging dabei jedoch verloren. Man kann erkennen, dass überall auf der Welt die Vatergötter Einzug hielten. Ein besonderes Beispiel für diese Entwicklung ist das Vorbild unseres heutigen „Gottvaters”, der griechische Gott Zeus. Er wollte sogar ohne Frau Kinder gebären und so sollte der Ursprung seiner Kinder aus seinem Körper gestammt haben, aus seiner Stirn und seinen Beinen. So wurden die Göttinnen entmachtet. Auch heute noch gibt es Tendenzen, dass Männer das Gebären und Erschaffen von Leben den Frauen entziehen möchten. Sie arbeiten an der Forschung von künstlicher Intelligenz, Robotern, dem berühmten Golem. Auch die Geschichte von Frankenstein ist eine beispielhafte Geschichte für den Wunsch der Männer selbst Leben zu erschaffen. Warum das so ist, darf sich jeder selbst denken. Die modernen Kirchen, besonders die Katholische, setzt alles daran, den Frauen die Kontrolle über das Gebären abzunehmen. Sie sprechen ihnen keine Autonomie zu und wollen alle Fortpflanzung kontrollieren. Dadurch wird die liebevolle weibliche Kontrolle über die Bevölkerungszahl und deren Wohlbefinden unterdrückt. Das heißt, Frauen achten darauf, dass nur so viele Kinder geboren werden, wie auch ernährt werden können. Auf diese Weise wird Überbevölkerung und Hunger vorbegeugt. Der weibliche Aspekt der universellen Gottheit wird nun aber absichtlich geleugnet und dämonisisert. Nur mit Maria mussten sie sich abfinden, da dies das übertragene Bild der Muttergöttin ist. Es ist nicht aus der Welt zu schaffen, denn es ist ein menschliches Archetyp. Die Mutter mit dem Kind. Dieses Bild ist älter, als alles andere. Es ist das erste Erleben des Menschen, der auf die Erde kommt, von seiner Mutter im Arm gehalten zu werden. Die erste Liebe geht von der Mutter aus und die erste große Liebe eines Kindes ist die eigene Mutter. Auch dies bedingt die Entstehung der ersten Muttergöttinnen.

Die eigene Mutter wird noch geliebt. Es ist jedoch ein gewissen Hass auf das Weibliche entstanden und so wird es allgemein gehasst, nur die Liebe zur eigenen Mutter wird noch erinnert. Hängt der Ursprung des Frauenhasses mit den patriarchalen Religionen zusammen? Nein, die Art, wie diese Religionen ausgelebt werden und die Gründe für ihre Entstehung, sind bereits ein Symptom des Frauenhasses. Wenn sich etwas auf dieser Welt ändern soll, dann müssen wir danach suchen, woher dieser Hass kommt. Psychologen sagen, die Männer verachten ihre eigenen weiblichen Eigenschaften und erkennen diese in der Frau wieder. Sie fühlen sich weniger männlich, wenn sie weibliche Eigenschaften an sich entdecken. Ich denke, dies ist auch der Grund für die Verachtung und Verfolgung Homosexueller Männer, die ihre weibliche Seite eben voll ausleben. Die heutige soziale Ordnung ist hierarchisch aufgebaut und es ist ihnen bewusst, dass das Weibliche in dieser Hackordnung unter dem Männlichen steht. Dies mag eine Erklärung dafür sein. Ich glaube aber, die Ursachen liegen viel tiefer in der Psyche von Männern. Wenn wir die Verletzungen finden, die im Hintergrund liegen, können wir endlich mit einer Heilung beginnen und so auch soziologisch und kulturell dem Weiblichen einen höheren Stellenwert geben und den Respekt, den es verdient, die Hierarchie aufheben und das Zusammenspiel der männlichen und weiblichen Kräfte im Gleichgewicht wieder herstellen.

* (Begriff Kybalion: Kybele ist eine Griechische Göttin, die Endung -ion deutet auf einen Tempel oder ein Heiligtum: Heiligtum der Kybele. Männer behaupten heute, der Name könnte nicht übersetzt werden. Vgl bekannte Tempel: Apollionion, Artemision, Heraklion.)

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