Herzlich Unwillkommen auf dem Cannstatter Volksfest. Zutritt nur mit Blondgen.

Unwillkommenskultur für jüdisch aussehende Mitbürgerin ohne Dirndl. (Das bin ich.) Auf jeden Fall bin ich eine Nachbarin des in Stuttgart stattfindenden herbstlichen Volksfests, genannt Cannstatter Wasen. Also ich komme aus dem Stadtteil, der daneben liegt, Stuttgart Ost und wollte noch eine Butter kaufen und ein paar Fotos von meiner schönen Gegend bei einem Spaziergang machen und spaziere einfach mal drauf los, bis ich den Volksfestlärm höre und er mich magisch anzieht. Es könnte sein, dass das gar nicht so weit ist zu gehen und ich könnte ein paar Dirndl fotografieren und ein Hähnchen verspeisen solange es noch hell ist. Immerhin, sollen auch mal ein paar Deutsche auf meinen Fotos zu sehen sein. Ich spaziere also durch Autoabgase und an Staus vorbei über die Neckarbrücke am Parkplatzsuchproblem zu Fuß vorbei und sehe ein paar fesche weißblonde Dirndlfrauen und Trachtenlederhosen überall. Die Damen sehen aus, als wollten sie auf den Opernball gehen. Als ich zuletzt dieses Fest besuchte ca. anno dazumal 2005, war der Zutritt noch frei. Ich ging damals mit meinem in Rockerklamotten bekleideten Freund und mit meiner Lederjacke dort hin und es wurde uns nur zugelächelt, als wir uns Hähnchen und übergossene Früchte reinstopften und ein paar Lose gekauft haben, äh, Nieten gezogen haben und er hat auch leider keinen Teddybären erfolgreich für mich gejagt, dafür ein paar Dosen mit Tennisbällen umgeworfen. Inzwischen gibt es eine Kleiderordnung auf dem Volksfest. Ich sehe also sehr verdächtig aus, die Security baut sich in Drohgebärde vor mir auf, als wollte sie meine Eintrittskarte sehen. Ich überlegte mir, ob es früher schon mal Eintritt gekostet hat. Nein, ich bin nur mal wieder zu brünett und underdressed, also mit überhaupt gar keinem Dirndl dort angekommen.

Auf dem Oktoberfest in München werden jedes Jahr 10 Vergewaltigungen gemeldet, in Stuttgart auf jeden Fall eine. Dunkelziffer bleibt der Fantasie überlassen. Natürlich werden die Männer da nicht deswegen Schwierigkeiten bekommen.

Vergewaltigung, letztes Jahr auf dem Wasen:

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.vergewaltigung-auf-cannstatter-volksfest-festzelt-mitarbeiter-unter-verdacht.3a4b5aed-bfa1-499c-b2d9-35d91a4d0c9d.html

Verdächtig muslimisch aussehende Haarfarbe! Ich werde durchsucht. Die Dame am Security Eingang schaut also in meinen Rucksack. Sie schaut sich alles genau an und sagt dann: Ein Pfefferspray ist hier nicht erlaubt. Sie können da nicht rein gehen. Es ist ca 17.00 Uhr und die Schatten werden schon länger. Also habe ich mir verboten, ohne Begleitung nach Einbruch der Dunkelheit  noch dort zu sein. Es könnten sich Weißwurst-mit-sich-herumtragende Männer mit RichterInnen einvernehmlich sein, dass ich aufgrund des Essens von Hähnchen vergewaltigt werden will (Bei Gina Lisa Lohfink war das die Begründung für einen Schuldspruch gegen die Frau, ach nee, es war eine Pizza, die gegessen wurde). Ohne Pfefferspray fühle ich mich nicht sicher genug, ob ich auch noch genügend körperliche Abwehr leisten könnte und ob diese dann auch nachweisbar wäre, auf jeden Fall hätte ich keine Chance und zur Zeit ist das alte Sexualstrafrecht noch in Kraft und ich bin zur Gegenwehr verpflichtet, falls mich eine besoffene Trachtenlederhose für “Die hat Brüste, die will vergewaltigt werden” befinden sollte. Jede RichterIn wird mit ihm darin Einvernehmlich sein, dass ich das wöllte, wollen würde gewollt hätte…. Egal, was ich sage, was ich will. Also einer, der diesen Gedanken und diese Absichten hegt.

Ich wollte sowieso nicht lange bleiben, da es mich nur aus Übermut dahin gezogen hat und nicht aus Planung heraus. Trotz allem, bin ich eine Bedrohung für den deutschen Mann, wenn ich ein Pfeffespray bei mir trage und wahrscheinlich eine IS Terroristin. Wie mir die Security Dame versicherte ist es so: “Wenn Ihnen jetzt jemand en Rucksack stiehlt, kann der mit dem Pfeffespray Leute verletzen.”

Auf jeden Fall bin ich als Frau alleine dort nicht erwünscht, wenn ich nicht vollkommen hilflos den betrunkenen Männern gegenüber stehe. Und unbedirndelt und brünett auch extrem terrorverdächtig!

Auf dem Heimweg 2 Stolpersteine, Gedenktafeln für die Opfer des Nationalsozialismus durch die Psychiatrie:

– Hier wohnte Karl Schedel: Einegwiesen 1922. Ermordet von den Nazis 1940. Grafeneck.

karl-schedel

– Hier wohnte: Eduard Egep Eingewiesen 1935. Ermordet 1.06.1940 Aktion T4.

stolperstein-eduard-egep

…..  Ich bin schon wieder zurück am Computer und schreibe nette Texte für euch über die rechtliche Lage von Frauen die vergewaltigt werden und kein Pfefferspray besitzen. Ich darf nämlich nicht auf das Volksfest gehen……

Schönen Abend noch allen anderen Frauen auf dem Volks-Festen, auf die nur blonde Dirndlträgerinnen gehen dürfen. Aber bitte passt auf euch auf, ihr Blondinen im Dirndl. Männer sind in Gefahr. Wehrt euch körperlich nicht, auch nicht mit Pfefferspray, wenn ihr mal wieder (nicht)??) vergewaltigt werden “wollt”, so wie wir Frauen es immer ständig (nicht)??) “wollen” ….Denn, wenn RichterInnen und Männer gefragt werden, dann sind die Frauen schuld also ihr. Also bei Gegenwehr und ohne Gegenwehr. Auch mit Blondhaar und Dirndl wird der Mann über euch gestellt werden. ….
Mit Pfefferspray hat die Frau zu viele Chancen, dass sie ihren selbst erschaffenen von der Frau selbst eigens gewollten eigenen Willen, der von dem Gehirn der weiblich beteiligten Person ausgehende Wille wohlgemerkt(!) , der sich, im Falle einer Vergewaltigung, vom Willen des Mannes und der RichterInnen unterscheidet, durchsetzen könnte. Also bei Pfeffersprayeinsatz hätte die Frau eine Chance zu entkommen. Auf gut deutsch. Auch könnte das Spray in seinen Augen beweisbar sein. Ein Beweis! Darum ist das verboten. Ein Mann wäre in Gefahr einer Beschuldigung ausgesetzt zu werden! OH MEIN GOTT!
Bleibt hilflos, denn  wenn ihr euch nicht wehrt, dann “wollt ihr vergewaltigt werden” und der Mann hat Grundrechte auf Freiheit und die Frau zahlt eine hohe Geldstrafe für das Anzeigen eines Vergewaltigers. Weil sie dann den Pfeffersprayeinsatz nicht nachweisen kann, also die körperliche Gegenwehr.  DAS LEBEN EINES MANNES WÄRE ZERSTÖRT, wenn er nicht das einer Frau zerstören darf, wie und wann und wen er gerade will.  (Achtung Zynismus)

Ich persönlich plane lieber keine Terroranschläge mehr auf potentielle Möchtegern-Vergewaltiger, die durch mein Pfefferspray einer großen Gefahr ausgesetzt wären und gehe nicht mehr auf den Cannstatter Wasen.

Ich muss mir jetzt aber gründlich widersprechen. Natürlich ging es bei meinem Platzverweis vom Volksfest nicht um den Schutz potentieller  Vergewaltiger, dass nur nicht seine Äuglein tränen, oder vor meiner potentiellen Echtbeschuldigung.
Es geht darum dass ich terrorverdächtig ausländisch aussehe und den Dresscode blond gefärbte Haare + Dindl oder Blondgen, nicht einhalte und somit auf dem Volksfest auch überhaupt gar nicht mehr erwünscht bin.
So als Deutsche in Jeans und etwas verdreckt vom Spaziergang durch die Staus und Abgase.

Ich möchte noch schnell, meine mir angeborene Schuld beweisen, die ich grundsätzlich bei allem selbst so gewollt habe. Ich hatte überhaupt gar kein Dirndl an:

kein-dirndl-juliane

terrorverdächtig.


© 23. September 2016
 artemisnews.net